Lebensraum Buntsandstein
Rund um die zahlreichen Felsen im Wasgau haben sich mächtige Hangschuttdecken gebildet (siehe Tafel 8 „Bodenentwicklung auf Buntsandstein“). Bestockt sind diese wegen der Nährstoffarmut des Bodens und der Steilheit des Geländes mit Wald. Die Bäume, die an solchen Standorten wachsen, müssen mit besonderen Bedingungen zurechtkommen. Die Schuttdecken wandern langsam hangabwärts. Dies ist zum einen an auflaufenden Schutthügeln hinter den Baumstämmen zu erkennen, die oftmals auch größere Gesteinsblöcke enthalten. Zum anderen zeigen sich an Steilhängen auch Bäume, die einen eigenartig gekrümmten Wuchs des Stammes aufweisen. Diese Wuchsform ist dadurch entstanden, dass durch das Abwärtsgleiten des Hanges der Baum umgedrückt wurde. Er versucht nun wieder gegen das Licht zu wachsen und sich aufzurichten, um seine Standfestigkeit zu erhöhen. Der Baum entwickelte so den eigentümlichen und charakteristischen Säbelwuchs.
Sind die Felsen lebensfeindlich?
Die Vielgestaltigkeit der Felsformationen stellen ein großes Spektrum unterschiedlichster Lebensbedingungen dar. Direkt oben auf dem Felsen und an südexponierten Felswänden kann die Sonne ihre Strahlkraft ungehindert wirken lassen. Hitze und Trockenheit sind die Folgen. An nordexponierten und schattigeren Felspartien ist es kühler und feuchter. Daneben nimmt in exponierten Lagen die Wirkung des Windes zu. Weiterhin ist in zahlreichen kleinere Einbuchtungen und vor allem in größeren Höhlen der Lichteinfluss gemindert. Abgewitterte Felsbereiche und angelagerte Sandbereiche wechseln sich ab. Felsdächer und -simse schützen den darunterliegenden Standort vor Niederschlag. Durch Spalten und Fugen im Sandstein dringt Wasser und lässt es an verschiedenen Stellen an die Gesteinsoberfläche gelangen.
Die Besiedlung der Buntsandsteinfelsen mit verschiedenartigsten Pflanzen ist ein augenscheinlich faszinierender Prozess. Es ist erstaunlich, woher die Kräuter, Gräser, Farne, Sträucher und Bäume die Nährstoffe beziehen, um an solchen Standorten zu überleben.
Zudem gibt es kaum einen Felsen, der nicht von artenreichen Flechten und Moosen überwachsen ist. Als typische Art der Flechten auf Buntsandsteinfelsen des Pfälzerwaldes zählt, neben verschiedenen Krustenflechtenarten, die Pustelflechte (Lasallia pustulata). Eine weitere Besonderheit stellt das Leuchtmoos dar, das in dunklen Felshöhlen zu finden ist. Unter den Farnen ist es an schattigen Stellen vor allem der Tüpfelfarn (Polypodium vulgare), der wenig Wurzelwerk besitzt und ähnlich wie der Braunstielige und der Schwarzstielige Streifenfarn (Asplenium trichomanes und Asplenium adiantum-nigrum) unmittelbar dem Felsen aufsitzt. Am Felsfuß, bereits auf Waldboden, finden sich Wurmfarne (Dryopteris spec.), Frauenfarn (Athyrium filix-femina) und Männerfarn (Dryopteris filix-mas). Die Besenheide (Calluna vulgaris) besiedelt als anspruchslose Pionierart unter den Sträuchern lichte Felspartien. An schattigeren Plätzen wächst die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus).
Es gibt nur wenige Gräser und Blütenpflanzen. Neben Birken (Betula pendula) und Ebereschen (Sorbus aucuparia) zählen vor allem Traubeneichen (Quercus petraea) und Kiefern (Pinus sylvestris) zu den Baumarten, die charakteristisch für diese Felsstandorte sind. Letztere fallen durch ihren oft bizarren Baumwuchs (Krüppelwuchs, Bonsaiform) auf, der eine Anpassungsstrategie an den Standort darstellt (Wasser- und Nährstoffarmut).
Auch die Vielfalt an Tieren ist für die Wasgaufelsen verwunderlich. Viele zählen zu den seltenen und geschützten Arten. Im Pfälzerwald gibt es eine Population an Wildkatzen (Felis silvestris), die einerseits die Höhlen in den Felsen als Unterschlupf und zur Aufzucht der Jungtiere nutzen, andererseits sich auch gerne auf den Buntsandsteinfelsen in die Sonne legen. Da zudem auch verschiedene Mausarten die Felsen als Lebensraum nutzen, ist hier auch der Rotfuchs (Vulpes vulpes) zu finden.
Interessant sind die vielen im Buntsandstein durch unterschiedlich Prozesse (Korrosionshöhlen, Klufthöhlen, Trümmerblockhöhlen, Erosionshöhlen) gebildete Höhlen für kleinere Tiere. Unter den bisher gefundenen Tierarten zählen viele zu den kleineren und kleinsten Lebewesen (Würmer, Schnecken, Spinnen, Milben und weitere Insektenarten). Höhlen und Felsspalten dienen auch verschiedenen Fledermausarten als Quartiere (Tagesquartier im Sommer-/ Überwinterungsquartier im Winter) – so. z. B. Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) und Großes Mausohr (Myotis myotis).
Wanderfalke (Falco peregrinus) und Uhu (Bubo bubo) brüten an den steilen Felswänden. Dort sind sie vor Feinden und anderem ungebetenen Besuch besonders geschützt. Feuersalamander (Salamandra salamandra) nutzen die Felsspalten und -höhlen als Überwinterungsquartier. Auf den Felsen sonnen sich Mauereidechsen (Podarcis muralis), während Zauneidechsen (Lacerta agilis) und Waldeidechsen (Zootoca vivipara) mehr am Grund der Felsen zu finden sind. An trockenen und warmen Sandstandorten entlang des Felsfußes lässt sich hie und da der Feld-Sandlaufkäfer (Cicindela campestris) oder die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) beobachten. Unter regenschützenden Felsvorsprüngen finden sich oftmals die eigentümlichen Fanglöcher der Larven (Ameisenlöwen) von Großer Ameisenjungfer (Myrmeleon formicarius) und Geleckter Ameisenjungfer (Euroleon nostras). An den trockenen Sandhängen der Sandtrichter rutschen hineingeratene Insekten (Ameisen, kleine Käfer) ab und werden am Grund des Trichters von den Ameisenlöwen mit kräftigen Zangen gefasst und anschließend verspeist.
Weiterführende Literatur:
Kröher, O. (1993): Der Wanderfalke.- In: Kröher, O. (Hrsg. 1993): Felsen im Wasgau. Landau, S. 82–85.
Preuß, G. (1993): Leben im sonnigen Sand: Der Ameisenlöwe.- In: Kröher, O. (Hrsg. 1993): Felsen im Wasgau. Landau, S. 70–72.
Preuß, G. (1993): Kleiner, flinker Drache: Die Mauereidechse.- In: Kröher, O. (Hrsg. 1993): Felsen im Wasgau. Landau, S.78–79.
Preuß, G. (1993): Die Wildkatze.- In: Kröher, O. (Hrsg. 1993): Felsen im Wasgau. Landau, S. 86–87.
Preuß, G. (1987): Der Pfälzerwald, Lebensraum für Pflanzen und Tiere.- In: Geiger, M./Preuß, G./Rothenberger, K.-H. (Hrsg. 1987): Der Pfälzerwald — Porträt einer Landschaft. Landau, S. 133–164
Röller, O./Schotthöfer, A. (2015): Pflanzen und Tiere der Felsen im Wasgau.- In: Geiger, M. (Hrsg. 2015): Das Felsenland im Wasgau — ein Geo- und Bildführer. Landau, S. 52–59.
Singer, A. (1993): Der Uhu, ein Felsbrüter im Wasgau.- In: Kröher, O. (Hrsg. 1993): Felsen im Wasgau. Landau, S. 74–77.
Stenz, R. (2015): Felsbrütende Wanderfalken im Wasgau.- In: Geiger, M. (Hrsg. 2015): Das Felsenland im Wasgau — ein Geo- und Bildführer. Landau, S. 60–67.